Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Berthold Mandalka zur auffallenden Figur unserer Gehörlosen-Sportgeschichte in Deutschland.
Berthold wurde am 17.12.1923 in Beuthen / Oberschlesien, heute Polen, geboren. Mit 3 Jahren stürzte er, während er seinen Eltern bei der matschigen Feldarbeit half, mit dem Kopf gegen einen Stein. Dadurch erlitt er einen Hörverlust. Trotzdem ging er mit einem hörfähigen rechten Ohr in einen normalen Kindergarten, später in die Hörenden-Schule. Doch es traten Probleme auf: Den Lehrern und Mitschülern fiel es auf, dass er nicht richtig lernen konnte und wegen dieser Unfähigkeit wurde er als dumm abgestempelt und in die Schule für Lernbehinderte überwiesen. Später wurde er in die Hörgeschädigtenanstalt ins weit entfernte Ratibor verschickt. Dort machte er nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung zum Kürschner – später absolvierte er sogar die Meisterprüfung.
Nach Kriegsende wurde er mit seinen Angehörigen vertrieben und fand eine neue Heimat im Schwabenland bei Stuttgart. Er setzte sein Berufsleben weiter fort, doch irgendwann suchte er eine neue Herausforderung. Darum beendete er seine Karriere als Kürschner und verwirklichte seinen Traum, indem er als Karmeliter ins Bamberger Kloster zog. Er war auch im Kloster in Straubing tätig. Doch nach einem halben Jahr erkrankte er stark. Darum musste er, wie es die Ordensregeln vorgaben, aus dem Klosterleben austreten. Nach der körperlichen Genesung zog er wieder zurück ins Schwabenland.
Berthold lebte in den folgenden Jahren sehr einsam, bis er in einer Wirtschaft auf eine Gruppe Gehörloser traf. Erst lehnte er jeden Kontakt ab, trotzdem holte einer der Gruppe ihn zu ihrem Tisch damit sie sich kennenlernen konnten. Dabei brach das Eis und eine Blüte wuchs aus der Isolation empor. Berthold fand in der Gehörlosen-Gemeinschaft ein neues Zuhause.
Berthold war schon in seiner alten Heimat ein sehr guter Turner, besonders im Zwölfkampf und im Mannschaftsturnen. Er zeigte sein Können und Geschick aber auch in der Leichtathletik. Als „Muskelpaket“ holte er mehrfach das goldene Abzeichen. Darüber hinaus war er ein guter Tischtennisspieler und Wintersportler.
Berthold ist ein Sportler, der nie Schlagzeilen machte, aber hat für den Sport in seiner letzten Lebenshälfte als aktiver, Betreuer und Veranstalter sehr viel getan.
Er trieb nicht nur selbst leidenschaftlich Sport, er war auch ein geschätzter Funktionär und Seelentröster. Er übernahm Ehrenämter bei der GSG Stuttgart und als Landesfachwart. Als andere versagten, veranstaltete er fast im Alleingang das deutsche Gehörlosen-Sportfest 1968 in Stuttgart. Außerdem organisierte er noch einige Meisterschaften im Tischtennis, Leichtathletik, Skilauf und Wasserball. Er ist schon immer ein Energiebündel gewesen. Vom Württembergischen und vom Deutschen Leichtathletik-Verband wurde er mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Er hatte den Nachwuchs der Leichtathletik-, Ski- und Tischtennisabteilungen geschmiedet und aufgebaut, woraus in den 70er und 80er Jahren viele sportliche Erfolge entsprangen.
Es war lange Zeit nicht vorstellbar, dass Wettkämpfe ohne Bertholds Zutun stattfinden könnten. Dank seiner Kompromissbereitschaft und seinem feinen Gespür für die richtigen Worte konnte er wie kein anderer die Differenzen zwischen Verein und Verband beseitigen. Er würde heute noch gerne weiter organisieren, aber seine Gesundheit stoppte ihn.
Im Kreise der Freunde war er beliebt, und dies vor allem bei den Kindern. In der Freizeit wanderte er gerne in die Bergwelt, sammelte Gesteine und reiste rund um die Erde. Er führte auch zahlreiche Wander- u. Skiausfahrten.
Als Dankbarkeit verliehen wir ihn ehrenamtliche Mitgliedschaft der GSG Stuttgart 1923 e.V. und er gehört zu bedeutendste Person in der Vereinsgeschichte.
Am 17. Juli 2020 schlief Berthold im Seniorenheim Schwäbisch Gmünd für immer friedlich ein. Er wurde 96 Jahre alt und war 72 Jahre Mitglied bei der GSG Stuttgart 1923 e.V.
Wir werden Berti nie vergessen und bedanken ihn herzlichst. Zuletzt wünschen wir ihn eine gute Reise.
GSG Stuttgart 1923 e.V.